Fer(n)führung gegen den Opernblues #4 Der Vorplatz
Die meisten von Ihnen überqueren ihn auf dem Weg zum Opernhaus oder zum Schauspielhaus, vielleicht haben Sie dort auch schon einmal vor einer Vorstellung auf Familienmitglieder oder Bekannte gewartet, haben ihn während der Pause vom Balkon des Gluck-Saals aus bewundert, oder Sie gehen täglich daran vorbei, ohne jemals das Opernhaus betreten zu haben... Der Vorplatz des Opernhauses erzählt viel über die Geschichte des Staatstheaters und der Stadt Nürnberg. Wenn Sie Näheres darüber erfahren möchten, begleiten Sie uns auf unserer Fer(n)führung.
Von der Treustraße zum Richard-Wagner-Platz
Das Opernhaus wurde am 1. September 1905 als „Neues Stadttheater am Ring“ eröffnet. Der Baukörper erstreckt sich wie sein Vorgängerbau (das alte städtische Krankenhaus, das 1903 abgerissen wurde) entlang des Frauentorgrabens. Die Anordnung des Gebäudes in ostwestlicher Ausrichtung basiert auf einem Entwurf aus dem Jahre 1898, in dem der Architekt Heinrich Seeling einen Baukomplex mit Theater- und Saalbau vorsah, der sich bis zur Sandstraße erstrecken sollte. Eine Festhalle mit Turm sollte das Pendant zum Opernhaus bilden. Aus diesem Grund ist die gestalterisch untergeordnete Nordfassade auch der Altstadt zugewandt.
Der Vorplatz des Nürnberger Opernhauses hatte seinerzeit eine eher ungewöhnliche Gestalt, da er wegen der abbiegenden Straßenbahn nicht mehr war als eine stark erweiterte Einmündung einer Seitenstraße in den Frauentorgraben.
Die Neufassung des städtebaulichen Umfeldes der Oper setzte 1934 mit der Verbreiterung des Frauentorgrabens ein. Die Promenade war in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nach Vorbild der Wiener Ringstraße ausgebaut worden. Neben dem Reichsparteitagsgelände und dem Hauptmarkt in der Altstadt stellte der Frauentorgraben die Inszenierungsfläche für die An- und Abreise des „Führers“, die Opernbesuche und Paraden dar. Die große Zahl an Prachtbauten der Jahrhundertwende, wie das Opernhaus, das Industrie- und Kulturvereinsgebäude und die Hotels „Deutscher Hof“ und „Württemberger Hof“, eigneten sich besonders gut für die fotografische und filmische Inszenierung der Stadt der Reichsparteitage.
An der Ostseite des Theatervorplatzes, gegenüber der Hauptfassade der Oper, standen reich gegliederte, zum Teil schräg stehende Solitärbauten, die in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet worden waren (Treustraße 1 bis 7). Insbesondere die Villa Tauber, prominent an der Ostseite der Einmündung der Treustraße in den Frauentorgraben gelegen, war der Stadt zunehmend ein Dorn im Auge, da sie die Reihe der angrenzenden hohen Bebauung aus Wohn- und Geschäftshäusern in geschlossener Bauweise durchbrach.
Das Stadterweiterungsamt hatte 1936 einen Baulinienplan erstellt, der den Ersatz der Wohnhäuser in der Treustraße durch einen Monumentalbau vorsah, welcher den Theatervorplatz im Osten und Süden einrahmen sollte. Die Verkaufsverhandlungen mit den Grundstückseigentümern übernahm jedoch nicht die Stadt, sondern die NSDAP: Die Grundstückseigentümer, darunter der jüdische Arzt Dr. Carl Guldmann, wurden quasi dazu gezwungen, ihre Häuser an die Partei zu verkaufen.
Noch zum Jahreswechsel 1936/37 wurden die Bauten an der Treustraße abgerissen. Auch die Beethoven-Statue, die 1923 auf dem Vorplatz aufgestellt worden war (eine Stiftung der Klavierlehrerin Ottilie Schäfer), wurde nach nur 13 Jahren wieder abgebaut und in eine neu geschaffene Parkanlage an der Hallertorbrücke (damals Wilhelm-Gustloff-Brücke) umgesetzt.
Die NSDAP hatte bereits 1935 angeregt, die neue Siemens-Schuckert-Zentrale an der Ostseite des Theatervorplatzes zu errichten. Der Neubau des Sigmund-Schuckert-Hauses, nach Plänen von Hans Hertlein entstanden, wurde im Kriegsjahr 1940 fertiggestellt.
Mit der Umbenennung der Treustraße in Richard-Wagner-Platz vollzog die Stadt 1937, sicherlich auch mit Blick auf Hitlers Vorliebe für Wagner und die Ikonografie des Bauschmucks an der Opernhaus-Ostfassade, den Wandel von der Durchgangsstraße zum repräsentativen Vorplatz.
Der geplante Erweiterungsbau des Opernhauses auf dem Gelände des Theatergartens, ein Komplex auf U-förmigem Grundriss, der Werkstätten, Garderoben und eine Seitenbühne enthalten sollte, wurde auf Grund des Kriegsausbruchs nicht mehr realisiert. Mit dem heutigen Opernhaus war 1905 nur ein kleiner Teil des anfangs geplanten Ensembles zwischen Frauentorgraben und Sandstraße, bestehend aus Theater, Verwaltungsbau und Festsaal mit Turm, vollendet worden. Auf Grund der immensen Kosten, die das Theatergebäude verschlungen hatte – es war damals das bislang teuerste seiner Art in Europa – verschwanden die Pläne für die übrigen Bauten in der Schublade.
Mehr Informationen erhalten Sie während einer THEATERFÜHRUNG.
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