Staatstheater Nürnberg

Im Detail: Frontières Extérieures

Ein Projekt über Grenzen von Luis August Krawen

Im Detail Frontieres HeaderFoto: Konrad Fersterer

Aufführungsdauer: 1 Stunde 15 Minuten, keine Pause


Seit 20 Jahren gibt es eine EU-Agentur, eine Körperschaft eigenen Rechts, deren Geschäftsgebiet die Außengrenzen der Europäischen Union sind. Ursprünglich ging es darum, die Zusammenarbeit der lokalen Grenzschutzbehörden, Bundespolizeien und Küstenwachen zu koordinieren; seit 2015 hat sich aber das Geschäftsfeld sukzessive erweitert, und mittlerweile hat die Agentur nicht mehr nur einige Verwaltungsbeamte in Warschau und 6 Millionen Euro Budget, sondern mehrere Tausend Mitarbeiter und fast eine Milliarde Euro zur Verfügung. Außerdem darf die Agentur seit kurzem auch eigene Fahrzeuge und Ausrüstung wie Drohnen, Waffen und Flugzeuge betreiben. Damit hat die Europäische Union zum ersten Mal mit einem robusten Mandat ausgestattete, uniformierte und bewaffnete Truppen. Die sogenannte ständige Reserve wird 10.000 Grenzschützer umfassen.
Dieses Personal will ausgebildet sein, und hier beginnt die Fiktion des Stückes: ein Developer wird damit beauftragt, eine virtuelle Trainingssoftware für Grenzschutzbeamte zu entwickeln – Software, die in Wirklichkeit auch eingesetzt wird, über die wir allerdings nichts wissen – und trotz seiner moderaten moralischen Fragen beginnt er mit der Arbeit ...

Frontieres AMA 0868Foto: Konrad Fersterer

Luis August Krawen, der als Videokünstler etwa mit René Pollesch am Deutschen Theater Berlin oder mit Ersan Mondtag am Burgtheater Wien arbeitete, macht sich zunehmend selbst als Regisseur einen Namen. In seiner ersten Arbeit am Staatstheater Nürnberg übernimmt der Tausendsassa gleich eine Vielzahl von Aufgaben: Neben der Spielleitung stammen auch Text, Kostüme, Bühne, Sounddesign und die meisten der über LED-Wand oder Beamer projizierten Videos von ihm. Der Creative Coder Sebastian Heckner, der bereits fürs Worldbuilding bei DER BAU verantwortlich zeigte, entwickelte als Game Designer die virtuelle Trainingssoftware FRONTNITE.

Frontieres AMA 1032Foto: Konrad Fersterer

In der vorliegenden Inszenierung, die mit den Mitteln der Performance arbeitet, spielen Kammerschauspielerin Adeline Schebesch und Aydın Aydın nicht im klassischen Sinne die einzelnen Rollen; vielmehr machen sie sich Eigenschaften oder Teile der Figuren zu eigen, leihen ihnen ihre Stimmen, ihren Körper oder auch nur ihre Position im Raum. So führt der türkische Küstenwächter Cem an einer Stelle mit Aydın Aydıns Hilfe einen Dialog mit seinem griechischen Counterpart oder Adeline Schebesch singt ein Duett mit einer Drohne mittels Obertongesang. Der lockere Assoziationsraum, der dabei aufgemacht wird, speist sich in der Stückentwicklung maßgeblich durch eine mehrwöchige Recherche- und Findungsphase des gesamten Teams; die erste Probenwoche fand vollständig am gemeinsamen Tisch statt.

2024 12 02 NBG Frontiers AMA 0049Foto: Konrad Fersterer

Die vorliegende Arbeit möchte keine Antworten geben auf die Frage nach einem moralischen Grenzschutz oder den Umgang mit Migration nach Europa. Aber sie stellt Fragen, die wir uns als Souverän alle stellen sollten. Etwa: Warum braucht eine Ausknospung eines Staatenbundes, gleichgestellt etwa der Behörde für Lebensmittelsicherheit oder dem Amt für geistiges Eigentum, mehrere tausend bewaffnete Truppen und Drohnen?


Regie, Text, Bühne, Kostüme, Sound- und Videodesign: Luis August Krawen / Game Design, Creative Coding: Sebastian Heckner / Mitarbeit Kostüme: Maria Angélica Guerrero / Dramaturgie: Konstantin Küspert / Licht: Norbert Böhringer, Nils Riefstahl


Mit: Adeline Schebesch, Aydın Aydın


Regieassistenz, Abendspielleitung und Soufflage: Franka Burgmaier / Werkstudentin: Emma Kappl / Freiwilliges kulturelles Jahr: Annett Novikov


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