Staatstheater Nürnberg

Herz und Seele

Musik für Menschen mit und ohne Demenz

Herz Seele

In Bayern leben mehr als 270.000 Menschen mit einer Demenzerkrankung. Viele Betroffene ziehen sich zurück, sind für ihre Angehörigen häufig nicht mehr gut zu erreichen. Musik jedoch berührt viele Demenzpatient*innen und hat oft eine sehr positive Wirkung. Die Staatsphilharmonie Nürnberg bietet seit der Spielzeit 2018/19 das Format „Herz und Seele“ an, ein Konzert speziell für Demenzerkrankte und ihre Angehörigen.

Wieso ist so ein Konzert extra nötig?

Es gibt viele Senior*innen, ob mit oder ohne Demenz, die es aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen einfach nicht mehr in reguläre Konzerte an den großen Häusern schaffen. Das geht schon mit der Logistik los: Kann der Angehörige neben dem Erkrankten sitzen? Gibt es genug Rollstuhlplätze? Gibt es genug Rollatoren-Abstellplätze? Wie sind die Toiletten erreichbar? Wie komme ich nach Hause? Auch die Altersarmut macht sich bemerkbar. Der Luxus eines Konzertbesuchs ist bei vielen Rentner*innen oft nicht drin, das haben uns auch die Einrichtungen bestätigt, mit denen wir kooperieren. Deswegen sind die Konzerte kostenlos.

Studien belegen, dass Musik noch Menschen erreicht, die von der Sprache längst nicht mehr erreicht werden.

Ja, Musik ist der Schlüssel zu einer Tür, hinter der die Erinnerungen dementer Menschen eingesperrt sind. Melodien gehören offensichtlich zu den Dingen, die man am längsten behält. Dass einer nicht mehr weiß, wie er heißt oder wie alt er ist, bedeutet nicht, dass er die vier bis sechs Strophen eines Volksliedes nicht mehr singen kann. Das ist ein spannendes Phänomen. Zur Tradition unserer Konzertreihe gehört ein Volkslieder-Potpourri, bei dem die Konzertbesucher*innen mehr oder weniger laut mitsingen. Auch das ist in diesem zwanglosen Rahmen möglich. Und zum Schluss singen immer alle gemeinsam mit der Organistin der Gustav-Adolf-Kirche ein Lied.

Und was steht noch auf dem Programm?

Es stehen v.a. bekannte Titel auf dem Programm, Melodien, die man kennen könnte, auch wenn man kein Klassik-Fan ist. Das Repertoire von Barock über Klassik bis zur frühen Romantik eignet sich besonders: Klare Strukturen, schöne Melodien, überschaubare Längen, berühmte Arien. Es gibt eine Kammerorchesterbesetzung, und es sind immer einige Gesangssolist*innen dabei. Das Konzert geht nicht länger als eine Stunde, mit kurzen, einfach verständlichen Moderationen zwischen den Musikblöcken. Es ist kein Problem, wenn die Besucher*innen zwischendurch aufstehen und auf Toilette gehen oder mitklatschen oder einschlafen. Sie sollen sich nicht unter Druck gesetzt fühlen, dass sie irgendwelche Benimmregeln eines Konzertbesuches erfüllen müssten. Es geht auch darum, dass man gemeinsam jenseits der Pflege zu Hause oder den Besuchen im Seniorenheim auch einfach mal wieder etwas Schönes erlebt.

Wie sind Sie auf die Gustav-Adolf-Gedächtniskirche gekommen?

Wir arbeiten mit der Kirche schon länger zusammen, zum Beispiel sind wir Kulturpartner der jährlich stattfindenden Vesperkirche. Die Kirche bietet schon räumlich ideale Voraussetzungen: Durch die Rampe am Seiteneingang der Kirche ist der Ort gut geeignet für Rollstühle und Rollatoren. Auch gibt es keine engen Sitzbänke, sondern geräumige Stuhlreihen mit viel Platz nach vorne und hinten. Zudem gibt es enge Kontakte zu den Senioreneinrichtungen in der Nachbarschaft.

Um die Wirkung von Musik auf Menschen mit Demenz wissen neben der Staatsphilharmonie Nürnberg auch andere Orchester. Mittlerweile bieten viele Orchester solche Formate an.

Ich glaube, es ist einfach ein Umdenken angekommen bei den Theaterschaffenden. Wir haben uns jahrelang und sehr erfolgreich um die Kinder- und Jugendarbeit bemüht, sie gehört inzwischen selbstverständlich zum Kulturangebot. Und jetzt guckt man sozusagen ans andere Ende des Lebens.


Die Fragen beantwortete Wiebke Hetmanek, Dramaturgin am Staatstheater Nürnberg, März 2025.


Das Konzert „Herz und Seele“ wird unterstützt von Lebkuchen-Schmidt


Passend dazu:

Nach oben