Staatstheater Nürnberg

Das neue Extended Reality Theater (XRT)

Digitale Spielstätte in der 3. Etage

Unsere Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert: Sie ist ein Cyborg geworden, ein Mischwesen aus analogen und digitalen Elementen. Wir leben in einer erweiterten Realität, einer „Extended Reality“. Statt Speisekarte gibt’s einen QR-Code auf dem Tisch, künstliche Intelligenzen steuern alltägliche Prozesse und in den sozialen Medien kreieren wir mit jeder Menge Daten Kopien unserer selbst. Das Digitale legt sich wie eine zweite Haut über die analoge Welt, ist längst mit ihr in einem komplexen Wechselspiel verwachsen. Das kann und darf das Theater nicht ignorieren. Es muss sich dieser erweiterten Realität widmen. Es muss von ihr erzählen. Dafür aber braucht es neue Mittel, neue Arbeitsweisen, vor allem aber auch spezielle Räume. Darum gründen wir in der 3. Etage die deutschlandweit erste Spielstätte eigens für Aufführungen, die Theater und Digitalität verbinden: Extended Reality Theater – kurz: XRT.

Das Theater hat immer schon genutzt, was es in der Welt vorgefunden hat. Es hat die Welt ins Spiel gebracht. Ein einfacher Stuhl kann auf der Bühne zum unüberwindbaren Berg werden. Digitale Objekte werden mittlerweile für Millionen verkauft. Algorithmen strukturieren unseren Alltag. Sie sind weniger fassbar als ein Stuhl, aber sie sind nicht weniger da. Was also läge näher, als das alles auf die Bühne zu holen und damit zu spielen? Zumal man im Spiel auch immer etwas aussagt über die Dinge, mit denen man spielt. Digitale Mittel können eine Farbe mehr sein im Malkasten Theaters und seine Ausdrucksfähigkeit erweitern. Dafür aber braucht es spezielle Technik vor Ort. Im XRT können uns Bühnenbilder und Kulissen, die digital auf LED-Wänden oder als Projektion erscheinen, in alle möglichen Welten eintauchen lassen, Schauspieler*innen können mit animierten Avataren zusammen spielen, oder in ihre Haut schlüpfen, sie können Algorithmen auf der Bühne sichtbar machen und das Internet kann selbstverständlicher Teil von Inszenierungen werden. Dabei wird Theater entstehen, das in erster Linie ganz klassisch für ein Publikum vor Ort gespielt wird. Digitales Theater muss nicht unbedingt im Stream stattfinden.

Die neue Spielstätte ist aber auch ein Basiscamp, von dem aus wir die hybride Welt da draußen bespielen wollen. Unsere Audiowalks wie „Das Schloss“ und „Willkommen zurück“ haben in vergangenen Spielzeiten gezeigt, wie man durch Kunst einen ganz neuen Blick auf die alltägliche Umgebung gewinnt. Auch im Netz bewegen wir uns alltäglich. Und auch hier gibt es viele Räume, in denen Menschen – wie im Theater – zusammenkommen, um gemeinsam etwas anzuschauen und sich auszutauschen. In vielen Bereichen des Internets wird längst Theater gespielt – mit Kleinststücken, die vor einem riesigen Publikum immer wieder gespielt und reinszeniert werden. Wir wollen die Theatralität dieser Räume nutzen und dort Theater machen. Wir wollen sie nicht Banalitäten und der Logik von Markt und Aufmerksamkeitsökonomie überlassen. Wir wollen sie mit Kunst verwandeln.

Die Künstlerische Leitung der Spielstätte übernehmen mit dem Autor und Creative Coder Nils Corte und dem Regisseur und Autor Roman Senkl zwei Digitaltheatermacher der ersten Stunde. Seit 16 Jahren loten sie die Möglichkeiten des Theaters aus und betreten in ihrer Arbeit, die sie an Institutionen wie die Berliner Festspiele, die Dortmunder Akademie für Theater und Digitalität und das Schauspiel Köln führte, regelmäßig Neuland. Im XRT werden sie eigene Aufführungen realisieren aber auch weiteren innovativen Künstler*innen die Möglichkeit bieten, an der Verbindung von Theater und Digitalität zu forschen.

Bei all dem geht es nicht darum, sich naiv hineinziehen zu lassen in die Strukturen der Netzwelt, sondern darum, durchaus im Geiste Bertolt Brechts, aufzuzeigen, wie die hybride Welt funktioniert und deutlich zu machen: Sie ist veränderbar.

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